Text von OT. v. Hefner (1863):
Derselbe ist nach einem Originale im hiesigen Nationalmuseum. Dieses Original ist ein Basrelief aus Sandstein, gegen 3 Fuss hoch und 2 ½, Fuss breit, und stammt aus dem ehemaligen Kloster Steingaden. Das Kloster im bayerischen Oberlande war eine Stiftung der Welfen und es ist daher anzunehmen, dass auf vorliegendem Steine der welfische Löwe solle dargestellt sein. Die Stiftung des Klosters fällt um das Jahr 1154 (Mon. Boica VI. 481 ff.) und obwohl es möglich ist, dass der Wappen-Stein schon um jenes Jahr gefertigt worden sei, so glaube ich doch ebenso gut eine etwas spätere Zeit für die Entstehung annehmen zu dürfen. Keinenfalls wollte ich mit der Jahrzahl 1180 ein diplomatisch-genaues Datum, sondern nur die zweite Hälfte des XII. Jahrhunderts angedeutet haben. Ich halte diesen Löwen für das nahezu älteste, jedenfalls aber best erhaltene und instruktivste Beispiel dieser Wappenfigur. Es kommen wohl auf Siegeln hie und da schon Löwen um die Mitte des XII. Jahrhunderts vor (vergl. mein Handbuch der Heraldik S. 11), allein sie sind alle zu klein, um die Einzelheiten in den Formen daraus entnehmen zu können.
Schon an diesem ersten Löwen sehen wir dessen heraldische Stellung entschieden ausgeprägt. Das Tier ist aufgerichtet, steht auf einer Hinterpranke und hat die andere Hinterpranke nebst den beiden Vorderpranken erhoben zum Streit geschickt. Der Kopf ist zurückgehalten, zeigt die Mure im offenen Rachen (doch ohne vorgeschlagene Zunge, wie später üblich), die Ohren sind stark ausgeprägt und das Auge linsenförmig geschlitzt. — Der Schweif steht in schöner doppelter Biegung hinter dem Rücken, hat in der Nähe der Wurzel zwei Haarlocken (welche wir in späteren Originalen als einen Knopf sehen) und endet in eine schwere einwärts geschlagene Zottel, welche hier die Form einer gestürzten Eichel hat. Die Haarbüschel in Mitte des Schweifes, hier deren drei, sind nach auswärts gekehrt und enden lockenförmig. Vom Halse an ist, mit Ausnahme der Pranken, der ganze Leib mit Haarlocken bedeckt, welche schneckenartig und nach verschiedenen Richtungen gewunden erscheinen. Die Pranken enden in je vier deutlich ausgeprägte Zehen, welche mit scharfen Waffen (Krallen) geziert sind. Diese Waffen stehen, wie hier auch im Originale, bei der rechten Vorder- und Hinterpranke über den Schildrand hervor. Es scheint dies entweder Zufall oder Absicht zu sein, d. h. entweder hat der Künstler bei der Ausarbeitung des Originales den Raum des Feldes etwas zu klein bemessen gehabt, oder er wollte das Tier wirklich als aus dem Schilde hervortretend (lebendig) vorstellen. Da der Schild auf dem Basrelief nicht ganz frei, sondern dessen untere Hälfte zusammenhängend mit der Steinplatte gearbeitet ist, so blieb hierzu in dem als Hintergrund (hier steinfarbig angegebenem) Platze hinlänglicher Raum. Die am oberen Schildesrande erscheinenden Vierecke sind vertieft und scheinen gleichfalls mir künstlerische Verschönerungsidee zu sein. Das Original war wohl ursprünglich bemalt, und ich habe dem Wappen selbst die Farben des welfischen, resp. altlüneburg’schen gegeben: In Gold ein rot-gewaffneter blauer Löwe.