So, als Arbeitstitel für diesen Beitrag, hatte ich mir den folgenden Satz ausgedacht:
Lexikonaktion wieder aufgenommen und Digitalisierungsprojekt “Grandmaison” angegangen
Das ist für einen Blogbeitrag aber zu lang.
Bis Mitte Juni beschäftigte ich mich in meiner Freizeit, abgesehen von Urlauben, Haushaltsarbeiten etc. und Radfahren (!), fast ausschliesslich mit dem AVLhistory Projekt zur 125 Jahrfeier des Vereins der Luxemburger Studenten in Aachen (siehe http://www.aachen.lu/tag/125-joerfeier/). Leider kamen wir durch die unerwarteten Einschränkungen des Jahres 2020 bereits stark in Verzug. So scheiterte die vom Nationalarchiv geplante Digitalisierung unseres Vereinsarchives am Homeoffice, so dass es kaum ausgewertet werden konnte und in die Festschrift, die auch noch zum November vom Text her stehen soll, gar nicht einfliessen kann. Dann kamen noch ungünstige Entwicklungen auf anderen Feldern hinzu, und seither leide ich an einer Schreibblockade. Ich kann noch mit Leichtigkeit kürzere Texte verfassen, scheitere aber an grossen, zusammenhängenden. So auch dieser Text, den ich schon am 23. August hoffnungsfroh begonnen hatte 🙁
Nun hatte ich in der Vergangenheit immer wieder solche Schreibblockaden. Eine gute Methode sie zu überwinden bestand immer darin, sich kurz einem überschaubaren Projekt aus einem anderen Gebiet zu widmen. So nahm ich mir mal wieder mein Dauerprojekt “HeraldikLexikon” vor, wo ich im Mai 2018 einen Anlauf gestartet hatte, sie aber noch im Juni desselben Jahr zugunsten von AVLhistory wieder aufgab. Ich wollte nur ein paar Begriffe aus dem Lexikon “à jour” setzen.
Konkretisierungen bei der Lexikonaktion
Ein kurzer Blick in die bereits verfassten Artikel genügte, und ich wusste wieder woran ich hängen geblieben war:
- Ich war mit der Struktur unzufrieden,
- wusste nicht immer was ich schreiben sollte,
- und zu guter letzt, war das Nachsuchen passender Textpassagen in meinen Quellen, sie reinkopieren und in Form bringen mir zu mühselig, teilweise zu langweilig.
Ich hatte damals damit angefangen, erst mal keine neuen Wörter anzulegen, sondern nur die bereits besprochenen in die neue Form zu bringen und dabei will ich erst mal bleiben. Ich besah mir also die Liste bisher aufgenommener Begriffe, ich hatte sie vorher in fast alphabethischer Reihefolge abgearbeitet. Ich hatte bei abaissé angefangen und bei war 2018 bis alésé gekommen. Schon bei diesem Wort, wo man sich alleine schon streitet wie es geschrieben wird, bemerkte ich, dass ich es bislang falsch angegangen war. Ich hatte den Verweis auf die Autoren nur als netten Zusatz gesehen, tatsächlich aber sind deren Meinungen sehr wichtig:
- Teilweise schreiben sie sehr offensichtlich einfach nur von einander ab
So verweisen bei “abaissé” allesamt auf das Beispiel der Johanniter, das zuerst Ménestrier einbrachte. Erst Duhoux d’Argicourt korrigiert sie etwas und verwendet nun immerhin den inzwischen üblicheren Begriff “Malteser”:
Ainsi les Commandeurs & Chevaliers de l’Ordre de S. Jean de Jerusalem, qui ont des chefs dans leurs armoiries, les abaissent nécessairement sous celui de leur Religion.
- Manchmal vertreten sie aber auch sehr konträre Meinungen.
- Und teilweise wurde mir jetzt erst klar, wozu bestimmt Begriffe überhaupt gut sind, vor allem bei den Attributen.
Ich sah dann, dass ich bei anille aufgehört hatte. Dies ist eine seltsame, aber gerade in Luxemburg weitverbreitete Figur, die auf sehr unterschiedliche Arten gezeichnet wird, die einzige zu der auch Loutsch sich ausführlicher ausgelassen hatte. Ist sie nun mit dem Mühleisen (fer de moulin) identisch, oder doch ein Anker mit dem Gebäude stabilisiert werden?
Hier merkte ich endgültig, dass ich mit meiner bisherigen Auswahl an Heraldikern die ich konsultieren wollte nicht weit kam, und weitere Autoren heran ziehen müsste, so auch Charles Loizeau de Grandmaison (s.u.).
Ich gehe bei Lexikonbeiträgen seither folgendermassen vor, bzw. habe diese Änderungen vorgenommen:
- Ich beginne nun immer mit den klassischen Autoren und suche zusammen, ob die was Interessantes über den Begriff sinniert haben. Sie stehen aber immer noch hinten, als letztes Kapitel, direkt vor den Links.
- Dabei habe ich aber die Reihung umgekehrt, ich beginne nun mit den ältesten. Zunächst hatte ich mir nämlich vorgestellt, die Meinung des jüngsten Textes wäre am massgeblichsten und sollte daher vorne stehen. Weil mir dabei aber auffiel, wie sehr sie alle von einander abschreiben, wählte ich diese Reihenfolge, weil man es so besser sehen kann.
- Dann reihe ich den Begriff ein und suche die Übersetzungen raus.
- Dann formuliere ich eine Kurzbeschreibung in einem Satz,
- anschliessend versuche ich, zumindest bei Figuren eine Zeichnung zu geben,
- und erst als letztes, bemühe ich mich um einen eigenen, ggf. ausführlicheren Text.
Der Leser kann ja wie immer life miterleben, wie die Texte entstehen, denn ich arbeite nur in meiner spärlichen Freizeit dran. Die meisten Beiträge sind noch im selben Zustand wie 2015, denn ich bin erst mit dem Buchstaben A durch, und hier nur mit jenen Begriffen, die ich schon vor Beginn der Lexikonaktion aufgenommen hatte.
Digitalisierungsprojekt Grandmaison
Auf Charles de Grandmaison (1824-1903), mit vollständigem Namen Pierre-Charles-Armand Loizeau de Grandmaison war ich schon früher einmal aufmerksam geworden nachdem ich den Begriff Moucheture am 13 April 2012 in mein Lexikon aufgenommen hatte. Zunächst ging es dabei nur darum, festzustellen, wie oft der Begriff in meinen Wappenbeschreibungen vorkommt. Doch dann wollte ich ihn auch erklären und hab dabei festgestellt, dass die bis dahin als meine Favoriten geltenden Autoren auf ihn nicht eingingen. Darum suchte ich das Netz ab und wurde bei Grandmaison fündig. Ich fand sein Werk
bei Google Books unter http://books.google.lu/books?id=3FE-AAAAYAAJ. Es war eine Gemeinschaftsarbeit von Charles Loizeau de Grandmaison und Louis Nicolas Henri Chérin und wurde bei dem berühmten Abbé Jacques-Paul Migne 1852 verlegt.
Bereits am 10 März 2013 lud ich es runter, hatte da aber keine Zeit es weiter auszuwerten, nachdem ich die Seite für die Moucheture damit beschickt hatte. Am 7. Juli 2015 unternahm ich einen Digitalisierungsversuch, zog damals aber andere Digitalisierungsprojekte vor, namentlich Hefner und Planché. Am 9. Mai 2018 hatte ich zuletzt was am Text verbessert und Grandmaison vorläufig erst mal aufgegeben.
Geboren wurde er am 29 mai 1824 in Poitiers, der Hauptstadt der Region Vienne.
Er stammte aus einer alten bürgerlichen Familie aus dem Poitou, die auch wappenführend war1.
Grandmaison studierte zunächst von 1845-1846 an der medizinischen Fakultät von Paris, dann aber von 1847-1850 an der École nationale des Chartes. Er ist ab dann ein diplomierter Archivar und Paléograf. Er beschritt eine Beamtenkarriere und wurde zunächst von 1850-1852 als Attaché zum catalogue du Département des manuscrits de la Bibliothèque nationale berufen. Weitere Details zu seiner interessanten Biographie finde der Leser unter https://fr.wikipedia.org/wiki/Charles_de_Grandmaison und http://cths.fr/an/savant.php?id=1601, wir gehen an dieser Stelle nicht weiter auf sie ein, denn wir interessieren uns nur für sein Frühwerk, seinen Anteil an dem bereits erwähnten Buch, das 1852 bei dem berühmten Abbé Migne verlegt wurde. Der vollständige Titel lautet:
Dictionnaire héraldique, contenant
- l’explication et la description des termes et figures usités dans le blason, des notices sur les ordres de chevalerie, les marques des charges et dignités, les ornements et l’origine des armoiries, les rois d’armes et les tournois, etc.,
- suivi d’un Abrégé chronologique d’édits, déclarations, règlements, arrêts et lettres patentes des rois de France de la troisième race concernant le fait de la noblesse par Chérin,
Er schrieb es also als relativ junger Mann mit 28.
Die Mitte des 19. JH erlebte die Heraldik eine interessante Wiedergeburt. Seit Ende des 15. JH hatte es einen allgemeinen, fortschreitenden Niedergang zu verzeichnen gewesen, obwohl im 17. JH sich erstmals Gelehrte wie der Père Mnénestrier sich um systematische Lehrschriften bemühten. Die Regeln wurden missachtet, sowohl die Farbregeln auch die des guten Geschmackes. Dann kam die französische Revolution und schaffte das gesamte Wappenwesen einfach ab!
Bereits Napoleon I führte sie wieder ein, dann kam 1815 die Restauration der Monarchie, weitere Revolutionen folgten,die letzte 1848, welche das Königtum in Frankreich definitiv abschaffte, also zu der Zeit als Grandmaison Student war.
Napoleon III krönte sich im Erscheinungsjahr zum Kaiser und erinnern wir auch daran, dass Jules Pautet du Parois (1799-1870) zwei Jahre später seinen originellen Versuch startete, die Regeln der Heraldik in die Form eines Gesetzestextes, dem Code de l’héraldique zu giessen. Die Zeit war der Beschäftigung mit der Heraldik favorabel.
In seinem Vorwort, erklärt uns Grandmaison, was ihn zu dem Werk bewogen hatte und bekannte sich dabei zu seinem, für einen Bibliothekar etwas befremdlichem, Hang zur Gewalt gegen Bücher:
il s’agit de retrouver la famille; il faut donc parcourir cette multitude de noms contenus dans les dictionnaires, et comme rien ne peut servir de guide dans cette laborieuse et pénible investigation, comme rien même ne peut indiquer si l’armoirie objet de tant de labeurs se trouve représentée ou décrite dans l’ouvrage qu’on a entre les mains, il arrive souvent qu’après de longues heures inutilement passées à tourner les pages de plusieurs volumes, on jette là de dépit et de colère le livre muet. Cela nous est arrivé souvent,
Es ging ihm also darum, wenn man ein unbekanntes Wappen vorliegen hätte, anhand der Beschreibung den Wappenträger finden zu können, zumindest für Frankreich und er gab auch gleich an, wessen Vorbild er folgen wollte: Pierre Paillot2, an dessen Konzept ihn aber störte, dass er die Wappen nicht, z.B. nach Hauptfiguren anordnete, sondern unter bestimmten, teilweise wenig bekannten Begriffen einordnete, die wir heute Attribute nennen:
Mais Paillot a voulu faire surtout un traité de blason où les figures et les termes fussent définis et décrits dans l’ordre alphabétique; il en est résulté qu’un nombre très-considérable d’armoiries se trouvent dans Paillot rangées sous des termes abstraits, comme accompagné, armé, arraché, ou même presque inconnus au lecteur, tels que clariné, lampassé, gringolé, etc., et l’on ne sait comment les y trouver.
Grandmaison geht das Problem folgendermassen an: Nachdem er eine kurze Einführung geschrieben hat, in der er vor allem seine neuen Erkenntnisse zur Geschichte der Heraldik erläutert und hart mit den Vorgängern, sogar dem geschätztem P. Ménestrier ins Gericht geht3, klammert die Attribute aus und handelt diese in einem eigenen Kapitel, einer alphabethischen Liste “dictionnaire alphabetique des termes du blason” ab. Diese Begriffe scheinen ihn weniger zu interessieren, denn er zögert bei überraschend vielen Begriffen nicht, die Erläuterungen von dem Gescholtenen 1:1 abzuschreiben.
Danach nimmt das Buch den Charakter einer Wappenrolle an: in alphabethischer Reihenfolge geht er die Figuren durch und führt dabei auf, welche französischen Familien ein Wappen mit einer solchen Figur führen, dies leider in einer bis jetzt von mir noch nicht durchschauten Reihenfolge, jedenfalls keiner alphabetischen, weder einer bezogen auf den Namen der Wappenträger, noch auf die Blasonierung.
Aber bevor er sie aufführt, erläutert er, was er zu dieser und jener Figur weiss. Und nicht nur zu Figuren, auch einzelnen rechtlichen Begriffen wie bei “PREUVES”. Hier liefert er dann einen Aufsatz über “L’usage des preuves de noblesse” oder Adelsproben.
Vielleicht werde ich in ein paar Monaten, auch diesen Haupttext vollständig aufgearbeitet hier vorstellen, vermutlich aber, zumindest zunächst einmal, freilich bereinigt um die Blasonnierungen der französischen Familienwappen.
- siehe https://fr.wikipedia.org/wiki/Famille_Loyzeau_de_Grandmaison [↩]
- Le plus étendu et le plus employé par les travailleurs, l’ouvrage de Louvan Geliot, revu au milieu du XVIIe siècle par Pierre Paillot, est sous forme de dictionnaire de termes et de figures, et il nous a donné, nous l’avouons, l’idée du nôtre. [↩]
- Beispiel: “Blasen, dit-il (p. 67 de ses Origines des armoiries), est un mot allemand qui signifie sonner du cor (…) L’absurdité d’une pareille étymologie saute aux yeux tout d’abord, et lorsqu’on songe que le P. Ménestrier prouve tour à tour son système par son étymologie, et son étymologie par son système, on peut juger du degré de confiance qu’ils méritent l’un et l’autre. Pour quoi aller chercher dans la langue allemande une étymologie que nous fournit bien plus naturellement cette latinité inférieure et des bas temps, véritable fonds de la langue française ? “ [↩]