Seit ein paar Wochen bin ich nun Abonnent bei Veloh, dem vielgelobten Leihfahrradsystem der Stadt Luxemburg; siehe z.B. Tom Wagners Bildreportage1 Zunächst hatte ich einen solchen Schritt nicht vorgesehen, da ich meistens mein eigenes Fahrrad im Zug mitnehme und natürlich eines bevorzuge, das ich kenne und von den ich weiß in welchem Zustand es ist. In dem langen und harten Winter 2009/10 war es mir aber oft zu anstrengend mit dem Rad, die 2.7 km zum Bahnhof zurückzulegen, und ich nahm öfter die Buslinie 118. Deren Haltestelle “Friedhof” in Wasserbillig, ist etwas näher an meiner Wohnung vor allem aber kann ich mir mit dem Frühstück eine 1/4 h bis 1/2 Stunde länger Zeit nehmen (oder später aufstehen, wie man es nimmt ;-). Problem hierbei ist aber, dass man ein Fahrrad im Bus nur sehr bedingt mitnehmen kann, selbst dann, wenn der Bus eine zweite Plattform hat wo man das Rad festmachen könnte. Denn andere Fahrgäste erleben das mitgenommene Rad, in den meistens sehr gut gefüllten Bussen in der Regel als Belästigung.
Und so erwartete ich mir von Veloh!2 folgende Vorteile:
- Ich brauche mich nicht morgens schon festzulegen, ob ich an dem Tag Fahrrad oder Bus fahren will, sondern kann es jeweils dann entscheiden, wenn ich die Fahrt antrete. Praktisch, wenn es z.B. morgens regnet und man doch lieber mit dem Bus fährt, abends aber die Sonne hervor gekommen ist und Lust aufs Radfahren macht. Und erst recht im umgekehrten Fall.
- Wenn ich die Fahrt unterbreche, etwa weil ich am Bahnhofskiosk noch eine Zeitschrift kaufen will, muss ich mir keine Gedanken machen, wo ich das Fahrrad in der Zeit festkette, so dass es erreichbar bleibt, trocken und vor Vandalen sicher, denn es ist nicht meins: ich gebe es einfach an der Dockingstation ab
Das Missgeschick vom Dienstag Abend
Am Dienstag aber musste ich feststellen, dass Punkt 2, so nicht immer gegeben ist, aber der Reihe nach:
Für 18:30 hatte der Ingenieurverein ALI zur Mitgliederversammlung ins Lycée Technique de Bonnevoi gerufen, und weil hier, wie bereits beim Dachverband ALIAI ein neuer Präsident3 gewählt werden sollte, hielt ich es für wichtig diesmal an der Versammlung teilzunehmen. Um 20:53 fährt ein Zug nach Wasserbillig, diese Uhrzeit behielt ich im Auge und nahm mir um 20:30 ein Veloh an der Säule direkt vor dem Lycée. Zufällig hatte ich am Tag davor hier schon ein Rad ausgeliehen, daher wusste ich dass jedes zweite Opfer eines Aktes von Vandalismus geworden ist, und wählte mir das Rad, mit dem ich um 18:30 angekommen war (es war noch verfügbar), alles lief perfekt!
- bis ich um 20:40 das Rad vor dem Bahnhofsgebäude an der Station abgeben wollte. Mist: alle Säulen besetzt!
- Nicht schlimm, denke ich, ich weiß ja inzwischen, an der Place de Paris ist noch eine Station. Radel hin: auch alles voll!
- Jetzt wird es aber schon bitter, vom Rosengarten, also Nähe Arbeitsministerium / ARBED Gebäude (Arcelormittal) zum Bahnhof zu Fuß, es sind nur noch 5 Minuten, das wird aber knapp! Ankunft: auch alles voll!
Nun finde ich es schon nicht mehr lustig! Ich weiß jetzt bereits, dass ich, trotz großzügiger Zeitplanung, den Zug nicht mehr erwischen kann und wohl eine Stunde, nachts im Bahnhofsviertel rumlungern muss. Das ist ärgerlich genug, aber so langsam drängt die Frage: wie werde ich das dämliche Leihrad wieder los? die halbe Stunde, die ich es gratis benutzen kann ist ja auch bald rum. Aber wo soll ich hinfahren? Also rief ich mal die gratis “Hotline” an, deren Nummer 800 611 00 auf der Karte angegeben ist, nur um zu erfahren, dass die um 18:00 Dienstschluss machen. Toll! Also weiter zum nächsten:
- Noch mal Place de Paris, vielleicht ist ja inzwischen einer weggefahren? Fehlanzeige
- Dito, Bahnhofsvorplatz
- Centre Mercier (Post), kein Platz frei, weiter
- zum Strasburger Platz.
Hier endlich war eine Säule frei, eine einzige! Die hab ich mal gleich blockiert und geflucht! Dann ging ich zum Bahnhof, ließ mich von einem Penner anpöbeln den ich aber gekonnt ignorieren konnte und stand dann um 21:05 vor der Anzeigetafel. Also gut 25 später als ich eigentlich dort sein sollte, der Zug natürlich längst weg. Ich hatte noch Glück im Unglück dass der Sommer- anders als der Winterfahrplan noch einen Zug um 21:15 nach Trier kennt. Sonst hätte ich noch bis 21:53 im Bahnhofsviertel bleiben dürfen.
Die Rückfrage
Am Mittwoch morgen rief ich, enttäuscht von der Dürftigkeit der FAQ auf der Homepage dann die Hotline 800 611 00 erneut an, um zu klären,
- wie das passieren konnte,
- was ich in Zukunft in einer solchen Situation machen könnte,
- und um ggf. Verbesserungsvorschläge unterbreiten zu können.
Um es vorweg zu nehmen, es endete recht bald in dem Satz “mais qu’est ce que vous voulez en fait?” ? Aber hier mal, nach Gedächtnis und ins deutsche gesetzt einige meiner Fragen und Antworten die ich bekam.
- was ich denn hätte machen sollen? Ja zur nächsten Station fahren!
- Ja, und wie erfahre ich, wo eine Säule frei ist? Ja gar nicht! Ich sollte mir das so vorstellen, das ist wie in einem Parkhaus, da kann man mir auch nicht angeben, wo der freie Platz ist, den ich nehmen kann. Die Metapher konnte ich nicht gelten lassen, im Parkhaus muss ich ein zwei Etage weiter aber nicht mehrere hundert Meter, und ausserdem bin ich da motorisiert und muss nicht strampeln! Um das Parkhausbild beibehalten zu können müsste man eher sagen, “Das ist wie wenn Sie am Parkhaus ankommen, und man ihnen zumutet zum nächsten Parkhaus und ja unter Umständen sogar wieder bis zu ihrem Ausgangsort zurückzufahren“. Dann brauche ich die Fahrt eigentlich gar nicht erst anzutreten!
- Wieso waren Sie eigentlich gestern nicht erreichbar um mir zu sagen, was ich tun soll? Wir können keinen 24/24 Stundendienst bieten, das wird viel zu teuer (für das was das System letztlich ist?).
- Ob denn die Einsatzpläne nicht vor sähen, die Fahrräder regelmäßig umzuverteilen? Ja doch, aber doch nicht mehr nach 18:00, da haben die doch auch Feierabend.
- Ja wieso sehen diese Pläne dann nicht vor, um 18:00 sagen wir die Hälfte der Fahrräder aus dem Verkehr zu ziehen?(was sie außerdem dem Zugriff der Vandalen entziehen würde) Ja das dürfen Sie mich nicht fragen, ich sitze hier in Brüssel, und …
- Ja, können sie mich denn mit dem Verantwortlichen der mir sowas sagen könnte verbinden, oder mir seine Telefonnummer geben? Nein, das muss über uns gehen, wir geben das dann weiter…. An der Stelle fühlte ich an eine andere Hotline erinnert).
- Ja gut, und wie erfahre ich, was dabei rauskam? Ja sie müssen uns eine Mail schreiben (an contact.veloh@gcdecaux.be) und sie bekommen dann eine Antwort. Haha.
So, ich vermute jetzt mal, ich bekam am Bahnhof keinen Platz mehr, weil bei dem schönen Wetter viele Pendler statt mit dem Bus mit dem Rad zu ihrer Zugverbindung nach Hause fahren (eigentlich ja sinnvoll und gewünscht), dort aber von den Umverteilern niemand mehr da ist, der die Plätze leer räumt. Ich unterstelle weiter, dass das von den Verantwortlichen sogar gewünscht ist, weil dann am nächsten Morgen dieselben Pendler, die aus dem Zug steigen und zum Büro radeln wollen, auch Räder vorfinden ohne dass der Umverteiler sie hinbringen muss.
Weitere Unannehmbarkeiten
Nachdem ich am Donnerstag Veloh bei der Verbesserung ihres Systems geholfen hatte, in dem ich dem Leser eine brauchbarere, weniger spartanische Gebrauchsanweisung für den Vorgang des Ausleihens zur Verfügung gestellt habe, wollte ich diese überprüfen und mir fiel eine weitere Unannehmbarkeit auf:
Ich lieh mir an der Route d’Arlon ein Rad aus. Was man vorher nicht sehen konnte, das Hinterrad eierte, was ich bald als unangenehm empfand. Also wollte ich an der nächsten Station “Gaston Diderich” das Rad zurückgeben, und mir dafür ein weniger kaputtes ausleihen. Erstaunt stellte ich fest, dass die Konsole mir nur anbot, mir eine Rückgabequittung drucken zu lassen, die Option “retirer un vélo” aber rot unterlegt war, und folgerichtig auch nicht angewählt werden konnte, obwohl noch etwa 6 Räder verfügbar waren. Technische Panne, oder von Veloh bewusst nicht gewollt? Gaston Diederich ist für mich “mitten in der Pampa”, wie komme ich (oder gar ein Tourist) von da zum Bahnhof? Ich musste zehn Minuten warten, bis das System mich offenbar wieder freigab und das Wiederausleihen zuließ ???!
Fazit
das System Veloh ist interessant, hat ein paar kräftige Haken, die weniger duldsame als mich schon GANZ vom Radfahren abhalten. Es bestehen demnach noch gewaltige Optimierungsreserven! Hier meine Vorschläge
- Entweder, ein 24/24 Stunden Fahrradräumdienst muss her
- Und/Oder man muss an der Station erfahren können, an welcher Station die nächsten FREIEN Säulen sind
- Die Hotline, am besten einstampfen, wenn sie einem eh nichts sagen kann, da ist schon viel Geld gewonnen
Da ich annehme, dass es keinen Sinn macht sich an JC Decaux zu wenden, die eine so miserable Homepage und ein nutzloses Callcenter in Brüssel (???!!!) unterhalten, würde mal sagen, Herr Verkehrsschöffe Bausch, bitte übernehmen SIE! Bislang sind Sie schließlich der Mann, der am meisten für die Radfahrer in der Stadt Luxemburg gemacht hat, Ihnen vertraue ich!
Rufen Sie doch mal bei ihren Geschäftspartnern an 😉
- http://tomwag.com/twg2/v/Archiv/archiv2008/20080321-36073/36073m9551.jpg.html [↩]
- Webpage: http://www.veloh.lu [↩]
- Edit 9.12.2016: Damals war ich noch Webmaster bei der ALIAI und hatte einen Beitrag hierzu verfasst, der unter http://www.aliai.lu/2010/04/23/solvi-nouveau-president/ zu finden war [↩]