Eins muss man ihnen lassen, den Jungs und Mädels vom Langsurer Culturverein Longasura , http://www.longasura.de1: vom Werben verstehen sie was! Sogar das Luxemburger Wort2 hatte ihre Veranstaltung angekündigt, gestern vor Ort war angeblich Antenne West (gesehen habe ich es nicht) und ihr Plakat hing in der Grenzregion an allen möglichen und unmöglichen Orten aus. Zur Werbestrategie gehörte wohl auch, dass der Culturverein, der sich bitte schön mit “C” schreibt (warum eigentlich?) seit Monaten schon einen gewissen Zauber aufführte, aber nur nach und nach damit rausrückte, um was es gehen soll. Aber der Reihe nach:
Longasura ist der alte lateinische Name Langsurs, der anscheinend 978 erstmals urkundlich erwähnt wird, als der Trierer Erzbischof Egbert das Dorf verschenkte. Man würde annehmen dass, ein Verein, der diesen Namen trägt und zudem das Wort “Kultur” in demselben führt, vielleicht Ausgrabungen oder zumindest Vorträge zu dieser interessanten Geschichte organisiert. Zumindest was ihr Internetauftritt zu dem Thema hergibt ist mehr als dürftig: Auch die Culturvereinsmeier schreiben nur ein wenig ab, vielleicht von der kläglichen offiziellen Webseite der Gemeinde Langsur. Stattdessen haben sie folgende Vorhaben als culturelle Anliegen, Zitat von “Wir über uns” (http://www.longasura.de/uber-uns/) :
- Initiativen zur Dorfverschönerung
- Aktionen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege
- Ausstellungen
- Dorfgemeinschaftsveranstaltungen
- sportliche Veranstaltungen, wie z.B Boule-Spiele
- Veranstaltungen zur gesundheitlichen Aufklärung
- Aktionen zur Erhaltung der körperlichen Fitness
- Maßnahmen der Jugend- und Altenhilfe
und begründet seinen Einsatz als:
Der als gemeinnützig anerkannte CulturVerein LongaSura e.V. will sich durch einen bildenden Kunst- und Kulturbetrieb den Ideen der Entschleunigung, des Stressabbaus und einer friedlichen und gesunden Lebensart verschreiben.
Sie sehen sich also offenbar von “Hektik und sinnlose(r) Hast in alle(n) Lebensbereiche(n)” bedroht. Aber hehre Ziele haben sie ja, alle Achtung! Ein etwas differenzierteres Bild offenbart ein Blick auf die bislang tatsächlich durchgeführten Aktionen, zumindest über die der Verein online berichtet:
- Jugendklettern im Klettergarten Richardshöhe, http://www.longasura.de/products/jugendklettern-im-klettergarten-richardshohe/ ( 20. Juni 2009)
- Helferwanderung am 7. Juni 2009
- Metty Krings im Historischen Keller – Ein gelungener Aprilscherz! (1. April 2009)
- Zweites Langsurer Bergfest (14. und 15. Juni 2008 auf dem “Brüderberg”, http://www.longasura.de/products/zweites-langsurer-bergfest/
- Einweihung des “Bergzwerggeheges” (15. Juni 2008), http://www.longasura.de/products/einweihung-des-bergzwerggeheges/
- Erstes Langsurer Bergfest (Juni 2005), http://www.longasura.de/products/erstes-langsurer-bergfest/
Hier lesen wir dann doch etwas mehr über Bespassungsaktionen für den eigenen Nachwuchs, und weniger über kulturbeflissene Vorträge (Sorry, aber Metty Krings lass ich nicht gelten!) oder über Hilfe für die Alten. Dies erkärt sich wohl so: den meisten Anhang hat der Verein unter den Bürgern der Neubausiedlung “am Brüderberg“, von denen aus dem historischen Ortskern Lhasas3 etwas respektlos “Champagnerhügel” genannt.
Das Dîner en Blanc in der preussischen Provinz
In die Kategorie “z.B. Boulespielen” fällt wohl auch ihre neueste Aktion, das “Pont Blanc“, denn auch dieses möchte sich in einer angeblichen französischen Tradition wissen…
Ich gebe zu, ich habe von der Pariser Tradition des “Dîner en Blanc45 noch nie etwas gehört, aber anscheinend gibt es Leute, die auf sowas abfahren. Nun hat Langsur natürlich keine Place de la Concorde, dafür aber eine einmalige Brücke.
Die “Wirtschaftsbrücke” genannte Überquerung der Sauer in Langsur, ist eine der ganz wenigen grenzüberspannenden Brücken in Europa in Gemeindebesitz. Als der Wiener Kongress 1815 die Ortschaft Langsur aus dem alten Herzogtum Luxemburg ausgliederte und dem Königreich Preussen zuschlug, und wenig später (1816) der Aachener Grenzvertrag6 die Sauer als Grenze zwischen den beiden Staaten festlegte, fand sich ein erheblicher Teil des Gemeindeeigentums auf Luxemburger Territorium wieder, und die Gemeinde erhielt die Sondergenehmigung, zur Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften auf dem anderen Ufer eine eigene Brücke zu betreiben. Wohl nur so war es auch möglich, dass eine Gemeinde eine Grenzbrücke für eine
Den Auftakt zum Pont-Blanc bildete die Anbringung eines entsprechenden Schildchens im Juni, und am Luxemburger Nationalfeiertag, dem 23. Juni führten die culturbeflissenen “Luxemburg-Pendler” eine aufsehen erregende Putzaktion zur Vorbereitung des Pont-Blanc durch, und zwar, wie eine frühere Fassung dieses Berichtes stolz versicherte: Ganz stilecht, alles in Weiß! Klar! Wer derart mitten in der Woche eine Gemeindebrücke putzt möchte die Freiwilligkeit dieser guten Tat herausstreichen und nicht mit einem Ein-Eurojobber verwechselt werden!
Wir wollen aber nicht jeden!
Longasura lud ein und gab dabei den Dress-Code vor, Zitat:
am 30. August 2009 von 12.00 bis 14.00 Uhr,Ihre mitgebrachten Speisen und Getränke auf der Sauerbrücke zwischen Langsur (Deutschland) und Wasserbillig (Luxemburg) stilvoll an einer langen weißen Tafel, von Hut bis Schuh in Weiß gekleidet, zu genießen.
Mein Nachbar fragte denn auch die Tage, etwas spöttisch ob er auch in seinem Maleranzug vorbeikommen könne. Das war ganz sicher nicht erwünscht, denn die Webseite erläuterte in der früheren, strengeren Fassung noch ausdrücklich zu den Tischen, die man ursprünglich selber mitzubringen hätte, “Biertische passen nicht in den stilvollen Rahmen”. Dabei würde man unter der weißen Tischdecke dem Untersatz seine proletarische Herkunft aus dem Milieu der Dorfkneipen doch nicht ansehen! Longasura schrieb auch vor, was zu essen sei:
Geniessen Sie dann ausgiebig Ihren mitgebrachten Wein und Ihre moselfränkischen Spezialitäten und erleben Sie einen wunderschönen Tag!
und auch WIE:
Danach kosten Sie Ihren mitgebrachten Degistiv (-sic-), verpacken schliesslich Ihre Utensilien in Ihren Picknickkorb, nehmen Ihren Tisch und Ihre Stühle und verabschieden Sie sich von unserem kleinen friedlichen grenzenlosen Fest.
Das schloss mich schon aus, denn erstens weiss ich nicht mehr, wie man Bouneschlupp kocht, und wie ich sie in einem Picknickkorb unterbringen soll auch nicht. Und kalt schmeckt sie doch ohnehin nicht.
Gestern
War es dann soweit! Ein weißes T-Shirt war kein Problem, eine weiße Hose fand sich auch in meiner Kleiderkammer, nur die Schuhe, nun ja. Ich beschloss die Strümpfe wegzulassen und meine weißen Barfüße zu präsentieren.
Ich näherte mich der Veranstaltung von der Sauerstrasse und stellte befriedigt fest: Ein Drittel der Brücke war besetzt! Das gute Wetter trug wohl seinen Teil zum Gelingen bei, nicht schlecht! Am Brückenkopf angekommen, stach die Segregation zwischen Alt- und Neuviertler dann aber doch sofort ins Auge. Unsere Nachbarn aus dem Altdorf grüssten uns, und luden uns ein, uns zu ihnen unter das aufgestellte Zeltdach zu gesellen.
“Nächstens Jahr machen wir auch mit”
verkündete uns der alte Winzer fröhlich, aber dieses Jahr, nun ja.
Die Werbebotschaft war so angekommen, wie sie wohl auch gemeint war. Die jungen Leute vom Berg an den Tischen, die betagten Leute aus dem alten Lhasa, alle unter dem Baldachin.
Und doch gab es versöhnliches: Ein Mann mit Bart und Hut erhob sich von seinem weissen Tisch, und offerierete den Alteinwohnern “Patée” und kalte Mettwürste. Mussten die das mit der moselfränkischen Bauernkost denn wirklich so wörtlich nehmen? Ich war in Verlegenheit: Patée konnte ich als Kind schon nicht riechen, geschweige denn essen. Der Höflichkeit geschuldet nahm ich einen Zipfel an, stellte entsetzt fest dass ich auch kalte, fettig Würste noch nie gemocht hab und kaute brav auf dem Ding rum, mit dessen Resten ich später einen Dorfhund beglücken konnte.
Wir schunkelten sogar mit den Nachbarn mit, bevor wir uns vornehm und cultiviert entschuldigten und dem Solitär Stephane Weiler7 aus Wilz und seinem grenzenlosen luxemburgisch-deutschen Kulturmix aus “Kettchen, Kettchen” und “Fahr mich in die Ferne mein blonder Matrose” wieder den Rücken zu wandten. Wir freuen uns aber schon jetzt, tierisch auf:
Ponto Blanco 2010.
Nachtrag 13.9.2009
Diese beiden Katzen wohnen übrigens direkt am “Pont Blanc” und sind jeden Tag grenzenlos weiß. Sie liegen dort immer, stets zu hundert Prozent entschleunigt in der Sonne. Am 30. August aber haben sie sich nicht sehen lassen, das Ganze war ihnen wohl zu hektisch und entsprach nicht ihrem gelassenen Stil.
- Am 15-3-2015 zeigte sich, dass die URL nicht mehr funktionierte http://www.longasura.de [↩]
- Am 25.1.2015 Toter Link zum Artikel http://www.wort.lu/wort/web/letzebuerg/artikel/40952/alles-soll-ganz-weiss-sein.php [↩]
- Lasa: der Name Langsurs im örtlichen Dialekt. Klingt wie die tibetische Hauptstadt, die Schreibweise aber ist unklar. Im Protokoll zum Aachener Grenzvertrag steht sogar “Lazer” [↩]
- Siehe: http://paris.evous.fr/Diner-en-blanc-ce-soir-a-Paris,1741.html” [↩]
- wohl nicht zu verwechseln mit der ebenfalls sehr französischen Tradition des Diner de Cons [↩]
- Über den Aachener Grenzvertrag, siehe: http://www.luxembourg.public.lu/fr/politique/territoire/index.html [↩]
- Edit 25.1.2015: Der hatte mal die Homepage http://www.the-solitaire.lu/ [↩]
In der Tat, Antenne West, WAR da! Schon ist der Bericht auf youtube
Das ist ja sehr schön, dass du unseren Verein und insbesondere die nicht private Veranstaltung (deswegen auch die Brückensperrung) namens “pont blanc – grenzenlos weiß” im Detail analysiert hast. Ich würde vorschlagen einfach mal bei uns vorbeizuschauen – Berührungsängste haben wir keine – und sich vielleicht im Bereich Altertümer zu engagieren, z.B. mit Führungen für Interessierte!
Schöne Grüße,
Albert du tertre de champagne
Danke für die Rückmeldung, lieber Albrecht.
Ich sehe, du stößt dich an dem Satz:
Wohl nur so war es auch möglich, dass eine Gemeinde eine Grenzbrücke für eine private Veranstaltung sperren konnte.
genauer am Begriff “private Veranstaltung“. Ich gebe zu, den hab ich wenig glücklich gewählt! Ich neige dazu als “öffentlich”, jene Dinge zu bezeichnen, welche der Staat und seine Untergliederungen (die kleinste davon: die Gemeinde) unternimmt, und als “privat” alles, was nichtstaatliche Stellen, sogenannte Privatpersonen betreiben.
In der Tat ist der allgemeine Sprachgebrauch ein anderer, und weil theoretisch jeder am Pont-Blanc hätte teilnehmen können, sofern trefflich gekleidet und mit stilechten Möbeln ausgestattet, darf man die Veranstaltung sehr wohl “öffentlich” nennen. Dass die Veranstaltung in der Öffentlichkeit stattfindet und sich notwendigerweise auch an diese wendet, daran hat aber nie jemand ernsthaft gezweifelt, oder?
Danke auch für das Angebot, bei euch mitzumachen. Da ich selber auch Vereinsmeier bin, ist mir diese Technik mit Kritik umzugehen geläufig.
Es steht allerdings nicht zu erwarten, dass ich noch Zeit und Energie aufbringen kann, mich auch noch für euch aktiv zu engagieren. Andere Vereine haben hier viel ältere Rechte und somit den Vorrang 🙂
Na, dann müssen wir auf ein potentiell wertvolles Mitglied verzichten 🙁