Vor zehn Jahren starb Egon Zander. Er stand mit mir in den Jahren 1992-1996 in Briefverkehr und half so maßgeblich mit bei der Erstellung der Festschrift Rull de Waak zum 100. Bestehen des AV d’Letzeburger. Durch seine nüchterne, die Studentenzeit nicht verklärende Art, war er ein sehr wertvoller Zeitzeuge.
Kurzbiographie
Egon Zander stammte aus Luxemburg Stadt, seine Eltern betrieben dort eine Epicerie. Er besuchte das Athenäeum und war Klassenkamerad von Batty Esch. Wie dieser fühlte er sich dem katholischem Studentenmilieu zugehörig und trat später dem Akademikerverein (heute ALUC) bei.
In Aachen studierte er dann von 1923 bis 1932 Hüttenkunde und engagierte sich auch stark im AV d’Letzeburger, wo er mehrmals Vorstandsposten übernahm. Sein Biername war “Tipp“, der ihm auf der Taufe verliehen worden war. Sein Studium musste er immer wieder unterbrechen, um im elterlichen Betrieb auszuhelfen. Nach seinem Diplom arbeitete er als Ingenieur im Stahlwerk von ARBED Beval.
Aber Egon half nicht nur beim Erstellen der Festschrift, in jüngeren Jahren griff er auch selber zur Feder. Der nachstehende Artikel erschien im Annuaire des Akademikervereins 1929. Egon lässt hier seinen gesamten Kulturpessimismus zu Worte kommen, über den er Jahrzehnte später erschrickt und mit den Worten “Mein Gott, war ich damals bissig.” quittiert.
Rheinromantik,
eine exklusive Jupiterlampen-Angelegenheit.
Skizze von Egon Zander.
Willst du Rheinromantik? Hier das Rezept. Benutze nicht den veralteten Baedeker, kaufe dir das neueste Kriminalmagazin (herausgegeben von Edgar Wallace, dem theoretischen Verbrecherkönig), studiere eifrig “Wie lerne ich kriminalistisch denken”, verweile recht lange bei dem Kapitel “Indizienbeweise” (eine gute Parodie hierüber: Fall Rigaudin oder Halsmannprozeß) und begib dich dann an Ort und Stelle (in diesem Falle selbstverständlich: der Rhein), um die Rheinromantik in flagranti zu erwischen.
So ich, Es kostet ein gutes Stück Mühe, bis man die vielen Irrtümer ausgemistet hat, die einem durch das Lesen von aufgebauschten Artikeln und Rheinbeschreibungen im Hirnkasten herumspuken. Aber schließlich gelang es mir doch die mit Reklamen über und über bedeckte Litfassäule mit Papa Rhein zu identifizieren. Vulkanausbrüche von Farben, das Unerdenklichste ausplappernd; das Anpreisen eines dem Gummiknüppel zum Verwechseln ähnlichen Unterhaltungsspieles, Punktroller genannt; die Bekräftigung der alten Formel, daß Persil Persil bleibt; das Hinweisen auf das neue Pflaster zur Pianissimo -Behandlung der Hühneraugenklaviatur, Reklamen für Zigaretten, Champagnermarken, Korsetts, das Niederwalddenkmal, ganz bestimmt das Produkt einer an Größenwahnsinn ernstlich erkrankten Sekte (gehen Sie mir weg mit dem Märchen, das hätte einer allein ausgeklügelt), eine künstlerische Katastrophe, die man durch Unterlegen von etwas Dynamit schmerzlos in eine künstliche überführen sollte. Gasthöfe und Weinschenken, Garagen und Tankstellen schreien in grellen Farben, alles unter dem Motto: Strömt herbei ihre Völkerscharen, Nun, das hatte 1918 seine Wirkung nicht verfehlt. Aus allen Gegenden, sogar aus dem Chewinggumlande und aus dem dunklen Erdteil (so genannt wegen der schwarzen Hautfarbe seiner Einwohner) waren sie gekommen, allerdings statt Touristenstock, Lodenmantel und Rucksack … Gewehr, Kakiuniform und Tornister mit sich führend. Man hatte eben keine Zeit gehabt die Garderobe zu wechseln, die man beim Kriegspielen in Frankreich trug; sie bürgerte sich am Rhein auch schnell ein und wurde die führende Mode. Diese an den Rhein so urplötzlich Gekommenen bildeten sich zu Dauergästen aus, weil es ihnen anscheinend gut gefiel, und ganz begeisterte Naturschwärmer, über die Frankreich in Massen verfügt, waren nur mit Mühe und Not von der Idee abzubringen, das Rheinland als Weekend-Eldorado für französische Kleinrentner einzurichten.
Nun haben wir die Reklamen und Randbemerkungen gelesen, wobei aber darauf hingewiesen werden muß, daß ich das nicht so ruhig wie Sie tun konnte, denn hier an der Litfassäule ist die donnernde Hölle mit leibhaftigen Autoteufeln.
An den Rhein, an den Rhein, zieh nicht an den Rhein, mein Sohn, ich rate dir gut! Wenigstens nicht zu Fuß, denn es bestehen große Aussichten, daß du dir mal ein Auto aus der Froschperspektive ansehen müsstest. Das ist recht unangenehm Du kugelst dich im Dreck, die Brille springt entzwei (vorausgesetzt, daß du eine solche trägst), dein Anzug wird besudelt. und so nebenbei erheischt die Umformung deines Körpers auch noch ein Transportmittel, entweder durch Roteskreuzfähnchen gekennzeichnet oder pietätvoll schwarz angestrichen. Manche und es dürfte die Mehrzahl sein, benutzen beide Transportmittel, zwar nacheinander, so in zweitägigem Abstand, nach einer wohltuenden ärztlichen Behandlung. In der Tat, es ist lebensgefährlich. Denn zu beiden Seiten des Rheins hat man Autostraßen angelegt, tadellos, kerzengrade, ein ideales Betätigungsfeld für Kilometerfresser und radikale Anhänger der Ellenbogen-, in diesem Falle Schutzblechfreiheit. Das Schutzblech, eine furchtbare Waffe, die, auf ihrem lammfrohen Namen fußend, Anspruch erhebt, in die Kategorie der Schutzmittel einverleibt zu werden, die aber dazu ganz und gar keine Berechtigung hat, aus der einfachen Ursache, weil sie wie dazu geschaffen ist, sich dem harmlosen Fußgänger einzuverleiben und das mit sprichwörtlicher Gründlichkeit und etlichen Pferdestärken und Zylindern (gemeint sind hier Autozylinder, nicht die bei Begräbnissen übliche Kopfbedeckung, ein Irrtum, der dem Leser leicht unterlaufen könnte).
Darum raus aus dem Bereiche des Todes, (frei nach Karl May), raus aus der mit Öl und Benzin gesättigten Luft, runter von der Rennbahn. Mein Rettungsring (in der Not ergreift man eben, was grade dahergeschwommen kommt) war eine Diele, (kommt mit dem Wort “Garage” immer zusammen vor, die beide unter dem geläufigerer Sammelnamen “Tankstelle” besser bekannt sein dürften, übrigens Diele mit Artikel verbunden “Die-Die-le”, eine Redewendung, die Stotterern ganz besonders sympathisch sein müsste.) Vorn im Eingang schälten sich grade ein paar Kraftwagenfahrer (um nicht immer Auto zu sagen) aus ihren Lederetuis; nach vollbrachter Ausschirrung waren sie genötigt, besagte lederne Garderobe in der Garderobe abzugeben, weil man erstens in der deutschen Sprache für diese zwei grundverschiedenen Dinge nur eine Bezeichnung hat (und noch keine deutsche) und zweitens, weil gerade die dabei zu entrichtende Gebühr eine hübsche Nebeneinnahme, in rassereinen Nepplokalen sogar eine Haupteinnahme ausmacht und das Geschäft über Wasser hält, was bei den so nahe am Rhein gelegenen Etablissements ganz beruhigend auf die des Schwimmens Unkundigen wirkt. Nun, ich tat, wie ein drohendes Schild mir befahl, legte Mantel und Hut ab und gelangte in einen mit Pariser Parfums durchsetzten und von Rheinländern besetzten Saal, wo ich mich in einem Clubsessel verstaute. Obschon es noch früh am Nachmittage war, hatte man die Fenster mit zentnerschweren Vorhängen verhangen. Die Aussicht auf den Rhein wirke zu störend und außerdem sei Deckenbeleuchtung dem mit allen Schikanen zurechtgeschusterten Teint der Damen weitaus bekömmlicher als grelles Sonnenlicht.
O Rheinromantik wo bist du?
Eine aufgeregte Jazzmusik huddelte etwas vom Nil, ein Neger schlug sich auf sein breites Maul, ab und zu exotische Laute ausstoßend, und rund um dieses Podium des Schreckens und der Disharmonie gestikulierten mit Armen und Beinen die Rheintöchter, das Ganze Fünf-Uhr-Tee darstellend (die Uhr schlug eben 1/24 und Tee war nicht aufzutreiben). O holde Rheinmägdelein mit blondem Haar und blauen Augen, wer gab euch die Idee, Haartinktur zu benutzen, von wem erlerntet ihr – allerdings schlecht – die Kunst, den Lippen- und Augenstift zu führen, wer lehrte euch das Zigarettenrauchen, das blasierte Indieweltgucken, das Hochschürzen der Lippen? Was wallest du stumm durch die Berge, o Rhein? Na, da soll man nicht sprachlos werden!
Ich war offenbar an eine falsche Romantikquelle geraten, mein Rettungsring erwies sich als brüchig und zog Wasser. “Herr Ober, zahlen!”
Und da wiederholte sich die bekannte Geschichte vom Schiffer, der angesichts der Lorelei langsam in den Fluten des Rheins versank, in dem ich angesichts der hohen Rechnung – im Gegensatz zu besagtem Schiffer aber ziemlich rasch – in den Konturen des Clubsessels absackte. Nun, Ober sind außer Herren (Herr Ober!) Allerweltskerle, die auf alles gefaßt sind. So auch hier, Im Nu hatte er den Schwerpunkt der Situation erkannt, nämlich meine Silbermarken, die er mir blitzschnell abnahm und dadurch mich wesentlich erleichterte, was mir ein Wiederauftauchen an die Oberfläche gestattete.
Ausgang, “Ist die Tanzmusik erstklassig?” frug mich ein mit Pelzmantel und Brillanten behafteter “starker” Herr (dicker Herr paßte eigentlich besser, aber das Wörtchen “dick” ist neuerdings in besseren Kreisen verpönt), der grade im Begriffe stand oder, richtiger: saß, sich mit vieler Mühe aus einer Limousine zu laden … Er halte nämlich auf gute Musik, und, falls das hier nicht der Fall, sei die unternommene Reise zum Rhein zwecklos; er bewohne ein Landgut und höre allda durch Radio Jazzmusik, aber leider viel zu wenig, weil über die Hälfte der Zeit mit Vorträgen verplempert wurde; übrigens ein schöner Unsinn, diese Vorträge, die doch nur dazu da seien, das gemeine Volk aufzuklären, also eine direkte Schärfung des Verstandes bewerkstelligten, und er sähe nicht ein, zu was die deutschen Bürger Verstand benötigten. “Das ist eben die Quintessenz (beliebter Stammtischausdruck) allen Übels in Deutschland,” fuhr er fort (und hatte das Ausladen seiner Person noch nicht zu einem glücklichen Ende geführt), weil die Menschen langsam Verstand angenommen haben und nicht mehr hübsch brav in der Herde mittraben wollen, wie das zur glorreichen Regierungszeit Seiner augenblicklich in Holland zur Erholung weilenden Majestät an der Tagesordnung war.” Ich brauchte nicht zu antworten auf diese bandwurmlangen Satzgebilde, denn die aufgehende Saaltüre und das dadurch hörbare Musikgepolter hatten ihn zum Bleiben bestimmt.
Eine durch ein mittelalterliches Aushängeschild (werden heute auf Bestellung antiquarisch angefertigt) gekennzeichnete Weinstube mit “anschließender” Rheinterrasse und herrlicher Aussicht präsentierte sich so einladend, daß ich kurzerhand hineinging und -fiel, Ich setzte mich verstohlen in eine einsame Ecke und gab mir redlich Mühe, Rheinstimmung zu genießen, indem ich gedankenlos über die Wellen hinträumte (Stimmung ist bekanntlich der Zustand, wo der Mensch nicht mehr denkt. wenigstens nicht normal), wohlweislich den von einer Lebensversicherung am andern Ufer errichteten und herüber grinsenden Knochenmann aus meinem Gesichtskreis verbannend.
Da entstand plötzlich ein Lärm, als ob die Mauer einer Talsperre zusammengeklappt wäre und die Wassermassen sich talwärts wälzten. Zuerst strömten durch die Flügeltüren Gerinnsel von Menschenhäufchen, und dann ergoß sich ein Strom, auf die Terrasse, der alle Tische überflutete . . . Ein Gesangverein auf Sonntagsbillet. Nachdem Regenschirme und Aktenmappen (in ihnen wird, Akten ausgenommen, alles transportiert Lebensmittel, alte Schuhe, schmutzige Wäsche usw,) möglichst geräuschvoll abgelegt waren und die durstigen Kehlen (es war die 27. Station) mit der auf der Getränkekarte als Wein bezeichneten Flüssigkeit angefeuchtet waren, begann man das bei den in dieser Gegend herumvagabundierenden Gesangvereinen so beliebte rheinische Frage- und Antwortspiel, das
Aufschluß über diese Menschensorte gibt. Geistig unterernährt, das bestärken die dummen Fragen, und offenherzig, weil diese Fragen laut gesungen werden. (lies: gebrüllt, trompetet, posaunt, gehustet, gegurgelt.) Ad eins, “Warum ist es am Rhein so schön?” Das fragt man so anhaltend, so bittend, so wissensdurstig, man wiederholt die Frage, einmal, zweimal, dreimal, dreht sie herum, versucht ihr von einer andern Seite näherzukommen, ändert den Tonfall, vielleicht daß sie so verständlicher wird. Ist denn kein Oberstudienrat (auf hohen Titel wird gehalten, Nebensache wie hoch Gehalt betitelt) vorrätig, der diesen Leutchen aus der Patsche helfen könnte!
Zweite Frage. “Was ist Wein?” Diese Frage muß man vorsichtig beantworten, kann überhaupt frühestens am nächsten Tage beantwortet werden, wenn Kopf und Magen die Analyse gemacht haben, denn die Zunge läßt sich von den modernen Weinfabrikanten überlisten. Aber- diese sangeslustigen (tief Atem holen) Gehstduhintermichträger, auf deutsch Cut-träger (nähere Beschreibung in Modejournal unter: Nationalanzug) scheinen schon besser vorbereitet zu sein, denn sie finden verblüffend schnell die Antwort, “Was ist Wein? – Sonnenschein,” War eigentlich überflüssig (einige waren schon am überfließen), denn das sah man auf den ersten Blick, daß alle einen gehörigen Sonnenstich erwischt hatten.
Hier war statt Rheinromantik die Hochblüte des mit Vorhemdchen und Röllchen umgürteten Spießbürgertums.
Die Dämmerung fiel ein; ich verließ diesen in Zigarrenrauch und süßsäuerlichem Duft eingebetteten Menschenknäuel, der das Fehlen an individueller Originalität durch gemeinsame Gesangübungen ersetzte und sich “künstlich über die Mühsalen des Alltags hinwegtäuschte”.
“Endlich allein,” hatte ich noch grade Zeit zu denken, da stand ich schon mitten unter einem mit Wildwestern und nackten Knien bekleideten Völkchen, das sich schlechthin Pfadfinder schimpft. Wenn man nur einen Augenblick an das polizeilich streng geregelte Deutschland denkt, wenn man bedenkt, wie auch der kleinste Weg durch riesengroße Warnungstafeln zum Betreten erlaubt oder verboten ist, so sieht man schnell ein, auf welchem Misthaufen von Logik die Bezeichnung “Pfadfinder” ihren Ursprung nahm. Was da für Pfade gefunden werden sollen, ist mir rätselhaft.
“Das ist auch Nebensache,” ließ ich mir vom Anführer (mit Klempnerladen auf der Brust) sagen, “Wir gehören der Jugendbewegung an, darum bewegen wir uns, marschieren wir, nichts wie marschieren, und, damit keiner sich daraus ein Vergnügen macht, tragen wir zentnerschwere Last, wie da sind Trompeten, Spaten, Fahnenstöcke, Kochgeschirre, Zeltbahnen, kurz alles was man zu einem Sonntagnachmittagsspaziergang benötigt, Wir zählen Kilometersteine, wir zählen die vorbeirasenden Autos, im Übrigen vermeiden wir jede geistige Anstrengung (statutengemäß), weil das Minimum an räsonnierendem Geist den Wert des vorbildlichen Soldaten ausmacht, das zu werden unser aller höchstes Ziel ist.” Man kann der Jugend nicht übelnehmen, daß sie Krieg spielt, während die Väter (Hugenberg wollen wir stillschweigen übergehen) sich redlich abmühen mittels Zerstäubern (ausrangierte Fly-tox-Tuben tun hier schon gute Dienste) ein bischen Locarnogeist in die mit Säbelgerassel verpestete Luft zu spritzen.
Die Heimfahrt. Ein Schreien, ein Schimpfen, ein Drängen. ein Zwängen, ein Kampf schlimmer als vor Verdun (der Leser möge verzeihen, es fiel mir nichts Passenderes ein) um ein armseliges Plätzchen. Der Zug setzte sich in Bewegung. Der Augenblick war gekommen, wo die mit Rheinromantik gespickte_ Herzen überflossen, wo grandios Erlebtes die Zungen löste, und so erzählte man, daß das Wetter besser gewesen, als man anfänglich gedacht; daß man nur zwei Autounfälle gesehen. allerdings einen ziemlich schweren, denn es gab 2 Tote und viele Scherben; daß man beim Weintraubenstehlen beinahe erwischt worden sei; daß man stundenlang einem Faltboot zugesehen habe und minütlich das Kentern erwartet habe, aber was meinen Sie wohl, man sei gefoppt worden, es ging nicht unter und wollte nicht untergehen, eine direkte Bauernfängerei eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, sieht so zerbrechlich, so unstabil aus und steht ganz fest, ja viel fester als die Wacht am Rhein!
Wo blieb die Rheinromantik?
Der Zug hielt. Voll Ärger über den verlorenen Tag und die Einsicht, daß mir das Zeug zum Detektiv vollständig fehl, ging ich ins Kino, Und da fand ich, was ich so schmerzlich gesucht. Rheinfilm mit romantischen Städtchen, goldigen Weinbergen, holden, sonnigen Mädchen, übermütigen Studenten. Die Leinwand, unterstützt von passender Musik, schüttete fuderweise Rheinromantik auf mich. Das alles für 1,50 RM.! Was Jupiterlampen und Regisseure nicht alles fertig bringen! Ohne sie keine Natur, keine Rheinstimmung mehr. Darum mein Sohn, beherzige den Rat: Zieh nicht an den Rhein, sondern ins Kino.
P.S. Es wäre vielleicht nett, wenn man alles durch die beschönigende Filmapparatlinse sehen könnte, aber ich glaube, dann würde viel, viel weniger gelacht.
Kommentar zu diesem Text.
Zufällig habe ich ihn 1993 entdeckt. Mir stach der Name Egon Zander sofort ins Auge, denn so häufig ist der Name in dieser Schreibweise in Luxemburg nicht. Auch kommt Egon als Vorname in Luxemburg nicht besonders oft vor. Also sandte ihm eine Kopie, worüber er sehr erfreut war, und stellte einige Fragen zu dem Text. Denn vieles war für den Studenten von 1993 nicht ohne weiteres zu verstehen. Wohl aber war mir aufgefallen, dass zuvor Lambert Schaus, der spätere Minister, einen, die Rheinromantik feierenden Artikel in der selben Studentenzeitschrift veröffentlicht hatte, und so vermutete ich, Egons Text könnte eine Parodie darauf darstellen. Dem war wohl auch so, allerdings schrieb Egon seine Erwiderung offenbar sogar auf dessen Anregung.
Er schickte mir folgenden Brief zurück:
Luxembourg, 18.12.1993
Lieber Catweazle !
Vielen Dank für Deinen Brief. Die Kopie meiner Skizze “Rheinromantik” hat mich besonders gefreut, da Manuskript und Akademia im Mai 1940 verloren gingen. Das deutsche Militär hatte gründlich in meinen Papieren geräumt. Uebrigens konnte ich mich nicht mehr an viele Einzelheiten erinnern. Mein Gott, war ich damals bissig.
Deine Vermutung betreff Verhältnis zwischen Lambert Schaus und mir stimmt nicht. Ganz im Gegenteil. Ich war mit ihm gut befreundet, und er war es der die Veröffentlichung besagter Skizze in der Akademia bewirkte.
Was meine politische Einstellung betraf, so muss ich eingestehen, dass ich während meiner Studienzeit keine hatte. Es wurde nie in AACHEN politische Diskussionen zwischen Luxemburger Studenten geführt und auch nicht zwischen mir und deutschen Kommilitonen. Letzteres nicht aus Vorsicht, sondern wegen Interesselosigkeit. Durch den Sport, den ich auf der Hochschule betrieben habe lernte ich viele deutsche Studenten auch aus schlagenden Verbindungen kennen, zu denen ich stets, in gutem Einvernehmen war.
Das Schicksal von Batty Esch ist besonders tragisch. Klassenkamerad von mir im Athenäum war er ziemlich kompromisslos, was er auch bewies als er, von der Verhaftung seines Direktors Origer erfuhr, sich spontan der Gestapo stellte.
Nun zu Deinen Fragen:Punktroller,
eine Art Nudelwalker mit punktförmigem Gummi überzogen, diente den Spiessbürgern zur Eigenmassage ihres Wanstes.
Niederwalddenkmal,
Der Bergrücken zwischen Rüdesheim und Assmannshausen heisst Niederwald. Dort wurde das Denkmal in Erinnerung von 1870/71 errichtet. Es stellt eine 10 Meter hohe Germania dar, flankiert von zwei Reichsadlern und etlichen Reliefs.
Fünfuhrtee,
Kopie vom englischen Five O’Clock Tea. Zu dieser Stunde traf sich die Jugend um das Tanzbein zu schwingen. Das war auch in Luxemburg der Fall und zwar im Majestic (Place d’Armes), Hotel de Cologne (heute Alima-Bourse) und Restaurant Schulz in der Rue des Capucins.
Der Name Zander:
Der Name Zander ist in der ganzen Welt Verbreitet, sogar im Süsswasser. In Schweden wurde von einem Doktor Zander Apparate für Widerstands= Gymnastik (?) eingeführt.
Vor geraumer Zeit habe ich einen Artikel im Luxemburger Wort gelesen, der sich mit den Bürgern der Stadt Luxemburg im siebzehnten oder achtzehntem Jahrhundert befasste. Darin ging Rede von einem Zander, der ein Wohltäter der Stadt war.Ich hatte einen Bruder, der mit 15 Jahren Opfer der 1912 grassierenden spanischen Grippe wurde. Meine Vetter sind alle verstorben.
Verwandte mit Namen Zander habe ich ausser meiner Tochter, die Verheiratet ist, keine weder in Luxemburg noch im Ausland.
Nun Bleibt mir noch ein frohes Weihnachtsfest und viel Glück im Neujahr zu wünschen, Dir und Deinen Kommilitonen.